Noch nie gingen weniger Meldungen bei einer Tischtennis-Kreismeisterschaft ein. Nur 250 waren es diesmal. Daniel Dudziak vom TuS Xanten und Leon Viktora vom TuS 08 Rheinberg holten sich den Titel.
Von René Putjus und Peter Janssen
Er wirkt zumindest nicht so, als ob er Stress habe. Klaus Seipold (57) sitzt in der Sprecherkabine der Turnhalle am Konrad-Adenauer-Gymnasium Kellen. Vor ihm eine Scheibe, durch die er auf 15 Tischtennis-Platten in der Dreifachhalle blickt. Seipold ist Turnierleiter der Tischtennis-Kreismeisterschaft.
Probleme bereitet ihm nicht eine riesige Teilnehmerzahl, sondern die Technik. Auch die hält Einzug in den Tischtennissport. Erstmals werden hier die Ergebnisse mit Hilfe eines PC-Programms erfasst, das dann die nächsten Runden ermittelt.
So fortschrittlich die Organisation auch sein mag, die Meldezahlen sind ein Rückschlag. 250 gingen beim ausrichtenden Verein Weiß-Rot-Weiß Kleve ein. „Weniger gab es noch nie“, sagt WRW-Vorsitzender Peter Hendricks. Er muss es wissen. 51 Jahre alt, spielt er seit 45 Jahren Tischtennis. Peter Potjans, Sportwart im Kreisvorstand, sprach gar von einer „erschreckenden Entwicklung“. Vor allem der weibliche Nachwuchs breche weg.
Zuletzt richtete WRW 2014 die Titelkämpfe aus. 430 Meldungen füllten damals die Felder. Aktuell seien es drei oder vier Vereine, die 80 Prozent der Starter stellen, so Hendricks, der erklärt: „So wie es jetzt ist, würden wir es nicht noch einmal machen. Es geht auch darum, etwas Geld für die Vereinskasse über zu halten. Hier gehen wir mit plus minus null raus.“
Für Leon Viktora vom TuS 08 Rheinberg hat sich der Weg nach Kellen gelohnt. Bei den Herren A verpasste der Youngster nur ganz knapp das Viertelfinale. In der Gruppe D gewann Viktora zwei seiner drei Begegnungen. In der Jungen-Konkurrenz holte sich der TuS 08-Spieler in beeindruckender Manier den Einzel-Titel. Er verlor keinen einzigen Satz. Im Finale bezwang der Rheinberger Daniel Schouten (WRW Kleve) mit 3:0. Bei den Herren B dominierten die Teilnehmer des TuS Xanten. Martin Artz und Daniel Dudziak standen sich im Endspiel gegenüber. Mit 3:0 behielt Dudziak, der im Halbfinale Rolf Ehlert (SV Millingen) aus dem Turnier geworfen hatte, die Oberhand.
Ehlert revanchierte sich im Doppel. Mit Andy Hendricks (TSV Weeze) wies er Artz/Dudziak mit 3:2 in die Schranken. Bei den Senioren 40 sicherten sich Michael Volkmann/Frank Waschipki vom TuS 08 Rheinberg den Titel. Sie mussten nur zweimal die Platte treten. Lediglich fünf Doppel nahmen in dieser Spielklasse teil.
Der Blick zurück, ist immer auch eine Art Diskussion über gestern und heute. Meistens klar zum Nachteil des Heute. Nicht nur für Klaus Seipold war 1989 ein historisches Jahr für den deutschen Tischtennis-Sport. Das WM-Gold des Doppels Fetzner/Roßkopf löste einen Boom aus. Zu der Zeit mussten lediglich ein paar Platten in Hallen geschoben werden, die sich dann von selbst füllten. 1989 hatte der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) 829.00 Mitglieder. Von da an sank die Zahl kontinuierlich auf jetzt etwa 553.000. Der DTTB gilt als größter europäischer Tischtennis-Verband und rangiert auf der Liste der nationalen Fachverbände auf Platz zwölf.
Der Abschwung macht sich auch im Kreis bemerkbar. „Allein vor dieser Saison meldeten sich 20 Mannschaften vom Spielbetrieb im Tischtennis-Kreis ab. Dadurch gehen etwa 100 Spieler verloren“, sagt Seipold. Probleme mit fehlendem Nachwuchs hat jedoch nicht allein die Sportart Tischtennis. Tennis, Leichtathletik, selbst im Fußball werden Spielgemeinschaften gebildet, wo es nicht mehr anders geht. Doch sind die Schuldigen für den Abwärtstrend auch bei der Rückschlagsportart schnell gefunden. Nachmittagsunterricht, Ganztagsschule und das Argument, das immer passt, wenn nach Gründen für ein fehlgeleitetes Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen gesucht wird. Handy und Computerspiele.
Das Besondere an Tischtennis ist: Die Sportart kann lange und auf beachtlichem Niveau gespielt werden. Einmal damit begonnen, lässt sie einen nur schwer wieder los. So stehen in Kellen ehemalige Hoffnungsträger mit Hüftgold an den Tischen und verleihen dem Turnier den Charakter einer Breitensportveranstaltung. Die alten Haudegen füllen nicht nur Felder, sondern freuen sich immer noch über Titel. Sie sitzen auf der Tribüne und erzählen von den vergangenen Zeiten. Auch das macht das Turnier aus. Sich treffen, um gemeinsam ein paar nette, sportliche Stunden zu verbringen. Der Schriftsteller Jean Paul beschrieb dieses Phänomen einst mit dem Satz: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.“ Was auch fürs Tischtennis gilt.
via RP-Online